Die noch etwas unter dem Radar liegende Region Saale-Unstrut in Thüringen und Sachsen-Anhalt bringt mittlerweile spitzen Weine hervor, allen voran Silvaner und Weißburgunder, zum Beispiel die GGs aus der Steillage Karsdorfer Hohe Gräte. Gastronomisch hat die Ecke bisher noch keine Highlights zu bieten, zumindest wenn man nach ambitionierter Fine-Dining-Küche sucht. Umso erstaunter war ich, als ich auf die Food- und Weinbar 51° in Freyburg gestoßen bin.
Die Bar befindet sich in einem langgezogenen Kellerraum mit Mauerwerk-Ästhetik. An einer Seite zieht sich ein Bartresen durch die gesamte Länge des schlauchartigen Gewölbes. Wir sitzen auf der Gegenseite an etwas zu hohen Tischen, auf barhockerartigen Stühlen. Richtig gemütlich ist das nicht. Die Karte hingegen verspricht viel: Tunfischtatar, Wachtelbrust, Flat Iron Sous-Vide… Die Weinkarte listet 6 Weingüter der Region mit über 20 offenen Weinen. Erster Eindruck: Das könnte ein geiler Abend werden. Wir starten mit einem Winzersekt, einer klassischen Champagne Cuvee aus Chardonay und Pinot, die einen schönen Schmelz mitbringt und Lust auf mehr macht. Die Karte bietet ein Vier-Gänge-Menü, das man sich selbst aus jeweils 4 Vor- und Hauptspeisen zusammenstellen kann. Mein Versuch, die Wachtelbrust als fünften Zwischengang einzuschieben, wird vom Service leider etwas genervt abgeblockt. Kann die Küche nur gleichzeitig mit einem der vier anderen Gänge schicken. Gut, dann eben die Wachtelbrust zeitgleich mit dem Tunfischtatar. Das nervt und ist dann leider doch etwas unentspannt.
Überladene Teller ohne Fokus
Beide Gänge sind ein bisschen drüber, die Teller schlicht zu voll. Überflüssiger Schnickschnack lenkt leider von den eigentlich tollen Grundprodukten ab. Die Qualität des Thunfischs ist spitze, aber das Tatar ist mit einem gelben, extrem salzig-fischigen Kaviarersatz bedeckt, der stört und das Gericht eher verunreinigt, als ihm eine zusätzliche Geschmacksdimension zu geben. Knackiger grüner Meeresspargel passt gut, die beiden um das Tatar getupften Cremes, einmal Mango, einmal Wasabi, sind etwas sparsam aufgetragen, und gehen eher unter. Die Wachtelbrust ist an sich perfekt gegart, innen fast noch roh. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber ich stehe da drauf. Leider ist der Teller komplett vollgestopft mit bitterem Chicorée und sauren Apfelspalten. Irgendwann finde ich darunter noch einen Esslöffel extrem intensive, leicht süße Lebercreme, die einen tollen Schmelz hat und eine exzellente Ergänzung zur Wachtelbrust sein könnte. Auch bei diesem Teller fehlt der Fokus – weniger wäre mehr gewesen: Die Lebercreme dick auf den Teller streichen, die Wachtelbrust direkt draufsetzen, dazu einen Löffel süßes Chutney und ein paar (nicht eine Tonne!) Blätter Chicorée außenrum. Dann wäre das Ganze eine richtig gute Vorspeise. So geht sie leider im (Obst-)Salat unter.
Die Maissuppe mit Chorizo kann leider auch nicht wirklich überzeugen. Sie ist viel zu süß und nur von einem Hauch Chorizo-Crumble getoppt, der geschmacklich kaum durchkommt. Ein paar gegrillte Scheiben der scharfen Wurst hätten einen schönen, herzhaften Punch liefern können, der die Süße der Suppe vielleicht balanciert hätte. Hätte, hätte, hätte… Das bleibt leider die Formel des Abends. Der Hauptgang, der dann folgt, ist vielleicht noch das beste Gericht, Sashimi-Tunfisch medium-rare gegrillt, auf leckeren Steinpilzravioli in Trüffelrahm. Herzhafte Umaminoten, Cremigkeit – irgendwie lecker, aber so richtig will das Ganze nicht zum Thunfisch passen. Es schmeckt nicht schlecht, aber Thunfisch und Sahnesoße werden hier nicht zur Traumkombination – ein Stück Steinbutt oder Zander hätten zur weißen Soße wohl besser gepasst.
Nicht alle Weine können überzeugen
Die weißen Barique-Weine, ein Chardonay und eine „Kellerkunst“ betitelte Cuvee des Hauses Siegmund und Klingbeil, die 20 Monate im Eichenholz lag, fallen vor allem durch ihre spitze Säure auf, ein bisschen wie junge, unreife Burgunder. Hier wäre es vielleicht besser gewesen, solche Flaschen einige Jahre in den Keller zu legen und auf dem Höhepunkt ihres Reifepotentials zu präsentieren. Gut möglich, dass die Weine dann mit bestens integrierter Säure geglänzt hätten.
Das Dessert folgt dann leider überhaupt keinem Konzept mehr. Eine mittelgute Schokoladentarte, daneben ein mittelmäßiges Pistazieneis und eine Nocke Himbeermouse. Man fragt sich ein bisschen, was zur Hölle sich die Küche bei diesem Arrangement gedacht hat. Es wirkt etwas so, wie wenn man sich bei der Eisdiele seine drei Lieblingssorten als Kugeln in die Waffel packen lässt und dann alles ineinanderfließt, ohne zusammenzupassen. Und dass man bei 20-30 offenen Weinen leider keine Trockenbeerenauslese anbieten kann (obwohl die Weingüter an der Unstrut solche durchaus mit Erfolg produzieren), trägt auch nicht unbedingt zu einem krönenden Abschluss des Abends bei.
Fazit: Alles ein bisschen Schade
Fazit: Alles ein bisschen Schade. Die verwendeten Grundprodukte (Thunfisch, Wachtel) waren auf höchstem Niveau, und wie einzelne Komponenten wie Lebercreme oder Steinpilzravioli zeigen, hat die Küche durchaus Potential. Leider fehlte bei vielen Gerichten der Fokus aufs Wesentliche, sodass die Gesamtarrangements höchstens mittelmäßig ausfallen. Da es sich in der Region jedoch um den einzigen Laden mit moderner Küche und vergleichbaren Produkten handelt, würde ich auch keine klare Nicht-Empfehlung aussprechen. Nichts war wirklich komplett daneben und Preis-Leistung war definitiv angemessen.
Preisspanne: 4-Gang-Menü 54 €
51° Eat & Weinbar (Freylich Hotel)
Schützenstraße 9
06632 Freyburg (Unstrut)
