Die Alte Brauerei in St. Ingbert war schon immer eine solide Adresse für klassische französische Küche. Jetzt hat der Sohn des Küchenchefs, der vorher als Souse-Chef in einem Zweisterner in Luxemburg gearbeitet hat, die Regie übernommen – und liefert ein beeindruckendes Menü ab.
Auch der Gastraum hat ein Update bekommen, statt schwerer Holztafeln, mit weißen Tischdecken und langen Bänken an der Wand gibt es jetzt Runde Tische, die über die Nischen des Gastraums verteilt sind. Man sitzt entspannt, mit viel Platz und Abstand zu den Nachbartischen. Der Service ist charmant und aufmerksam. Man muss nie lange warten und die Taktung der Gänge ist angenehm entspannt.
Wir merken schnell: Die Küche ist weiterhin französisch grundiert, aber durch moderne Elemente und interessante Ideen erweitert. Die Gerichte sind innovativ, aber klar fokussiert und wunderbar ausbalanciert. Der Schwerpunkt liegt auf zwei festen Menüs mit 4 oder 6 Gängen, hinzu kommt noch eine kleine à la carte-Auswahl. Schon die Amuse-Gueules sind überraschend komplex und kreativ: ein Macaron mit einer luftigen Pilzcreme, die angenehm runde, erdige Umaminoten auf der Zunge zerfließen lässt. Dann ein Blumenkohl-Espuma, cremig-herzhaft, darunter fermentierter Blumenkohl der eine knackige Frische und leichte Säure in das Gericht bring. Der als Begleitung zu den Vorspeisen gewählte, offene Champagner aus dem Hause Ghislain ist wohl temperiert (d.h. nicht zu kalt) und entfaltet eine schöne Cremigkeit mit Noten roter Früchte.


Taschenkrebs und Kopfsalat
Vor den ersten Gang haben wir noch eine Vorspeise aus der Karte geschoben: ausgelöstes, gekochtes und gezupftes Taschenkrebsfleisch mit frischen Kräutern harmoniert perfekt mit sanft geschmortem Kopfsalat. Ein auf das Krebsfleisch getupftes Zitrusgel sorgt mit einer angenehmen Säure für etwas Spannung und hin und wieder beißt man auf ein Blatt Koriander, das seine ätherischen Noten freisetzt, ohne dabei das Gericht zu dominieren. Das geschickte Einarbeiten kontrastierender Säure gehört auch in den folgenden Gängen zu den Stärken der Küche.

Wie die Essenz aus einer grünen Wiese: Seeteufel mit Brunnenkresse-Öl
Der erste Gang des eigentlichen Menüs ist dann wirklich ganz großes Kino: Seeteufel bei niedriger Temperatur gegart, ist so weich und saftig, dass man ins Schwärmen kommt. Das ist bemerkenswert, da Seeteufel sonst in der Pfanne gebraten schnell fest wird und oft eher trocken daherkommt. Hier ist das Gegenteil der Fall. Der super zarte Fisch ist in Algenblätter gewickelt und liegt auf einer Art Pesto oder Gremolata mit frischen Kräutern, Zitronenzeste und Knoblauch. Dazu ist ein intensives, tiefgrünes Brunnekresse-Öl angegossen. Beide Komponenten sind angenehm zurückhaltend und gleichzeitig hocharomatisch – wie die Essenz aus einer grünen Wiese destilliert und auf den Teller gebracht. Sie bringen den butterweichen Fisch perfekt zu Geltung, umschmeicheln ihn geradezu. Eine perfekte Vorspeise, die bereits zeigt, dass hier jemand gelernt hat, auf höchstem Niveau zu kochen.

Innovativ: Hummer-Crème Brûlée
Auch der folgende Gang weist in diese Richtung: Eine mit Mascarpone gebundene Hummer-Bisque, mit einer Crème-Brûlée-artigen Haube aus karamellisiertem Zucker bedeckte, saftige Hummerstücke. Das schmeckt intensiv-karamellig, sehr tief und rund, und irgendwie ist auch hier eine deutlich spürbare Säure eingearbeitet (ich kann nicht mehr genau sagen, woher sie kommt), die das ganze trotz seiner Cremigkeit und Tiefe angenehm frisch bleiben lässt. Das hat schon wirklich Klasse
Am Ende möchte man die Teller ablecken
Dann der Hauptgang: Mittelbug vom Rind – eigentlich ein Schmorstück – leicht geräuchert und zart-rosa gegart. Dazu Spargel und eine luftig aufgeschlagene Hollandaise, die schon in Richtung Espuma geht. Die angegossene Jus ist so intensiv, dass man am liebsten den Teller ablecken würde. Was wir deswegen geradezu feiern, ist, dass Hollandaise und Jus reichlich in extra-Schälchen, bzw. Kännchen auf den Tisch kommen, so dass man sie pur probieren, sich selbst großzügig nachgießen und die Gefäße am Ende auslöffeln kann. Als I-Tüpfelchen wurde ein Löffel saures (Limetten-?) Chutney neben dem Spargel platziert, was erstaunlich gut passt und nochmal einen spannenden Kontrast reinbringt. Auch das Dessert kann das hohe Niveau halten: hauchdünne Scheiben karamelisierter Apfel sind zu einem Würfel aufgeschichtet, dazu eine Karamellsoße die nach Toffee schmeckt, Crumble und ein cremiges Vanilleeis. Das umschmeichelt die Geschmacksknospen und harmoniert perfekt.

Beeindruckende Gesamtleistung
Das Menü hat bei uns wirklich nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Nich nur weil einzelne Gänge sehr lecker waren, sondern weil der Menüaufbau gut durchdacht und die Küche von den Amuse-Gueule bis zum Dessert wirklich eine beeindruckende Konsistenz hingelegt hat. Alles was auf dem Teller lag war geschmacklich präzise und von höchster Qualität, nichts war mittelmäßig. Das weißt schon deutlich in Richtung Sterne und es bleibt spannend zu beobachten, wie sich der Laden weiterentwickelt.
Einziger Kritikpunkt an dem Abend bleibt die Weinbegleitung. Die war quasi nicht vorhanden. Während die Weinliste mit regionalen Größen und französischen Klassikern (wir hatten eine Flasche Pouilly Fumé zu den Vorspeisen) insgesamt gut aufgestellt ist, konnte die Auswahl offener Weine nicht so überzeugen (die Karte führt nicht mal Jahrgang oder Weingut der offenen Weine auf). Die konzeptionell toll herausgearbeiteten Gänge hätten es verdient, von korrespondierenden Weinen begleitet zu werden, die einzelne Aromen aus den Gerichten unterstreichen oder kontrastieren. Hier ist definitiv noch Potential nach oben. Doch das Essen war so gut und der Abend insgesamt so stimmig, dass er – auch ohne ausgetüftelte Weinbegleitung – mit Nachdruck in Erinnerung bleiben wird.
Preisspanne: 4-Gänge-Menü 56€ (Taschenkrebs als Upgrade c.a. 18€)
Alter Brauerei
Kaiserstr. 101
66386 St. Ingbert

